heute gibts mal was auf die Ohren von & über die Jungs von "Kraftklub". Kiekste hier;
Donnerstag, 23. Februar 2012
Tokio Hotel? Ja! Oasis? Nein!Das Sprachrohr Gottes: Kraftklub
Ihr Album "Mit K" ging durch die Decke. Und mit ihrem Song "Ich will nicht nach Berlin" rocken Kraftklub aus Chemnitz selbst so manchem Hauptstädter aus der Seele. Im n-tv.de Interview sprechen Sänger Felix Kummer (mit Künstlernamen Felix Brummer) und Gitarrist Steffen Israel über den um sie tobenden Medienrummel, das Schockpotenzial von Bankern und ihre Rolle als Sprachrohr von, ..., ja, von wem eigentlich? Und wo das Ganze? In Berlin natürlich.n-tv.de: Willkommen in Berlin. Wie ist es denn so für euch in dieser tollen Stadt?Felix: Sehr schön! Wir haben ja gleich hier um die Ecke unser Album aufgenommen. Wir haben doch nichts gegen Berlin ...
Trotzdem scheint ihr mit eurem Song "Ich will nicht nach Berlin" durchaus einigen Menschen aus der Seele zu sprechen. Hättet ihr das im Vorfeld gedacht?Felix: Nö. Das war ja eigentlich auch nur ein Witz, um Kumpels zu ärgern, die hierhergezogen sind. Und es war eine Reaktion darauf, dass uns als Band tatsächlich nahegelegt wurde, hierherzuziehen. Da hatten wir aber echt keine Böcke drauf.
Als ihr beim Bundesvision Song Contest angetreten seid, habt ihr aus Berlin tatsächlich zehn Punkte für das Lied bekommen - die zweithöchste Wertung, die überhaupt möglich war …Felix: Stimmt. Vielleicht lag das daran, dass es auch ein paar Berliner gibt, die das ähnlich sehen.
"Berliner" …
Felix: Ja, kurioserweise auch die. Viele Zugezogenen werden ja ganz schnell zu so stolzen Berlinern, die dann wiederum alle anderen Zugezogenen scheiße finden. Im Nachhinein betrachtet konnte man mit dem Song eigentlich nur gewinnen, weil offenbar alle das für sich so sehen können. Aber natürlich meint jeder damit immer die anderen.
Habt ihr noch die Klamotten vom Bundesvision Song Contest?
Felix: Ja, klar. Die sind fein säuberlich im Schrank aufgehängt.
Obwohl ihr bei der Veranstaltung ordentlich aufgefallen seid, seid ihr am Ende "nur" Fünfter geworden …
Felix: Das hat sich damals aber nicht angefühlt wie "nur". Das war eher wie: "Ey, krass, Alter, wir sind Fünfter geworden!"
Inzwischen kann euch das ja sowieso auch völlig egal sein. Euer Album "Mit K" ist vor Kurzem von 0 auf 1 in die deutschen Charts eingestiegen. Ihr sollt ordentlich darauf angestoßen haben. Was gab's denn?Felix: Ähh, …, Schorle. Und Bionade. Nein, also, wir haben eigentlich voll durcheinandergetrunken. Die Schwierigkeit war weniger, was wir trinken, als wo wir trinken. Wir haben das an einem Montag erfahren. Aber an einem Montag in Chemnitz eine Bar zu finden, die auf hat, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Am Ende war das sehr romantisch: Freunde von uns haben extra eine Bar für uns aufgeschlossen und dann haben wir uns alle gemeinsam an einem Montag bis früh um sieben betrunken.
Steffen: Wir haben viel Gisela getrunken.
Gisela?Steffen: Ja, das ist Wodka mit Lime Juice. Süß und geht schön in die Birne. Das trinken wir oft - außer Felix.
Felix: Ich glaub, das ist auch ein bisschen so ein Ostler-Getränk.
Ist so ein Nummer-1-Album mehr als ein schöner Pokal fürs Regal? Es heißt ja immer, mit CD-Verkäufen ließe sich für Bands heute kaum noch etwas gewinnen …
Felix: Ja, das stimmt auch. Hätten wir ein Top-20-Album gemacht, würden wir daher jetzt wahrscheinlich auch sagen, dass es uns egal ist. Wir sehen unsere Qualitäten ohnehin eher live. Wirklich ganz krass ist es, wenn wir jetzt die Vorverkaufszahlen von unserer Tour sehen. Es ist wirklich verrückt, wie viele Leute uns live sehen wollen. (lacht) Das freut mich irgendwie noch viel mehr als dieses Album-Ding.
Seit einigen Monaten wird ja ein ziemlicher Hype um euch gemacht. Alle reißen sich um euch - wir natürlich eingeschlossen. Wie nehmt ihr das wahr?
Felix: Den Medienrummel habe ich wirklich als Hype wahrgenommen, weil das echt schnell ging. Was man bei der Sache aber oft vergisst, ist das, was davor war. Im Prinzip haben wir ja so ein 70er-Jahre-Bandmodell durchgezogen und damit den Grundstein gelegt. Wir haben eineinhalb, zwei Jahre immer und überall gespielt und uns so - ganz klassisch - Fans erspielt. Als Hype hat es sich von daher erst angefühlt, als das mit dem Album losging und auf einmal das "Heute Journal" oder die "ARD-Tagesthemen" anklopften. Das war schon absurd.
Neben "Heute Journal" und "Tagesthemen" taucht ihr auch in den Feuilletons von Medien wie dem "Spiegel", der "Zeit" oder eben n-tv.de auf. Ist das okay für euch oder wärt ihr lieber in der "Bravo"?Felix: Ich glaub, wir sind sogar in der "Bravo". In der aktuellen Ausgabe soll eine halbe oder sogar ganze Seite über uns drin sein. Ich habe es nur noch nicht geschafft, zum Zeitungsladen zu gehen.
Steffen: Jetzt können wir aufhören!
Felix: (lacht) Ja, das war immer unser Ziel, es einmal in die "Bravo" zu schaffen. Unsere kleinen Schwestern haben gesagt, dass sie uns erst dann glauben, dass wir berühmt sind.
Gerade von den Feuilletons werden euch ja zum Teil bereits Riesenetiketten umgehängt: "Größte deutsche Pop-Sensation" zum Beispiel oder "Sprachrohr einer ganzen Generation". Ist das noch cool oder wird das schon zur Last?
Steffen: So richtig wollen wir das nicht sein. Aber die Leute suchen ja immer nach dem neuen, großen Ding, das man präsentieren kann. Da waren wir eben gerade zum richtigen Zeitpunkt da. Und so wird man gleich zum "Sprachrohr".
Felix: Das Schöne ist, dass unser guter Freund Casper erst vor einem halben Jahr das Sprachrohr einer Generation war. Das erleichtert, das alles nicht so ernst zu nehmen. Deswegen sagen wir immer: Wir empfinden uns nicht als Sprachrohr einer Generation. Wir sehen uns viel eher als das Sprachrohr Deutschlands. Oder Europas. Möglicherweise sogar der ganzen Welt. Oder Gottes.
Etiketten sind das eine, Schubladen das andere. Könnt ihr euch mit den Vergleichen mit Bands wie den Hives oder Mando Diao auf der einen und K.I.Z. oder Deichkind auf der anderen Seite identifizieren?
Felix: Ich finde das vollkommen okay. Nach Musikern oder Bands zu suchen, die das Rad neu erfinden, finde ich eh falsch. Wir haben nie darüber nachgedacht, was für eine Musik wir machen wollen. Das machen, glaube ich, wenige Bands. Und wenn, dann hört man ihnen das auch an. Wir haben einfach die Musik gemacht, die wir selbst gerne hören würden. Und die ist natürlich wiederum sehr inspiriert von der Musik, die man selber gerne hört.
Ich habe gelesen, dass ihr die sonstigen Pop-Bands in Deutschland allesamt nicht so besonders toll findet ...
Felix: Nee! So habe ich das sicher nicht gesagt. Ich finde es nur erstaunlich, dass es Bands gibt, die als Popbands wahrgenommen werden, obwohl sie ganz offensichtlich Schlagermusik machen. Aber ansonsten gibt es jede Menge auch deutsche Popmusik, die ich super finde: Thees (Thees Uhlmann, Anm. d. Red.), Casper oder Philipp Poisel - den finde ich, wenn er selbst schreibt, einen ganz tollen Texter.
In euren Texten befinden sich viele aktuelle Zeitbezüge. Nichts für die Ewigkeit also, sondern nur für den Kick für den Augenblick …Felix: Stimmt. Aber zu meinen, wir würden Musik machen, die sich an Leute richtet, ist ja auch ein Trugschluss. Das war nie unsere Intention. Wir haben, so banal das auch klingt, Musik für uns und unsere Freunde gemacht. Wir machen Musik, die sich sehr auf die Gespräche und Themen bezieht, die wir in diesem Kreis haben. Ich würde mir eher blöd vorkommen, wenn ich sagen würde: "Wir gucken eine DVD-Staffel." Da kann ich genauso gut sagen, dass wir eine Staffel "Dexter" gucken. Ich glaube, was ich damit meine, versteht jemand auch noch in zehn Jahren - auch wenn er nicht weiß, was "Dexter" ist.
Dass sich die 20-Jährigen in 20 Jahren, wenn ihr Anfang 40 seid, dann womöglich "Guck mal, die Opas erzählen was vom Krieg" denken, ist euch also egal?Felix: Ja, vielleicht ist das dann so. Vielleicht denken sich die dann aber auch: "Hihi, guck mal, die hatten noch Facebook." Ich finde nicht, dass man die Absicht haben sollte, Musik zu machen, die für immer Bestand haben muss - gerade in der Popmusik nicht.
Und wie sieht es mit der Ambition aus, auch im nicht-deutschsprachigen Ausland Erfolg zu haben? Wenn man deutsch singt, kann man das ja nahezu sicher abhaken …
Felix: Ha, du würdest lachen. Wir waren jetzt bei einem Festival in Groningen. Da habe ich meine Zwischenansage in hanebüchenem Englisch gemacht. Der Abend war sehr lustig.
Lustig, okay …
Felix: Erfolgreich? Nein!
Steffen: Das hat uns international nicht weitergebracht. Aber wenn man nur deswegen englische Musik machen würde, wäre das ja auch blöd. Man sollte doch machen, was man am besten kann.
Felix: Und was man mag. Auf Englisch zu singen, käme mir einfach nur schräg und albern vor. Ich unterhalte mich ja auch nicht auf Englisch. Und Musik nur zu machen, um Erfolg zu haben - egal, ob in Deutschland oder im Ausland - ist meiner Ansicht nach auch die falsche Herangehensweise.
Nochmal zurück zum Generationen-Thema: In eurem Song "Zu jung" schildert ihr, wie schwer es für jüngere Generationen heute ist, noch zu rebellieren. Dabei dachte ich, dass die Rebellion der Jugendlichen heute darin besteht, nicht zu rauchen, Purity-Ringe zu tragen, wieder mit 20 zu heiraten und Justin Bieber gut zu finden ...Felix: Klar, logisch. Wenn ich jetzt zum Beispiel Banker werden wollte und Geld mir ganz, ganz wichtig wäre - dann könnte ich damit meine Eltern … nun, vielleicht nicht unbedingt schocken, aber sie wären wahrscheinlich schon ein bisschen irritiert.
Na also, da habt ihr doch die Rebellionsmöglichkeit …Felix: Aber das ist doch einfach keine geile Rebellion! Okay, so richtig geil war das, objektiv betrachtet, bei meinen Eltern natürlich auch nicht. Sie sind halt in einer Diktatur groß geworden. Dass das nicht lustig oder geil ist, ist mir schon bewusst. Und wenn man unsere Eltern in unserem Alter gefragt hätte, ob ihnen die Welt lieber wäre, in der sie aufgewachsen sind, oder die, in der wir jetzt aufwachsen, hätten sie wahrscheinlich nicht lange überlegen müssen. Trotzdem gibt es immer mal wieder diese romantische Vorstellung: "Mann, ich wäre auch gern dabei gewesen, wenn so ein komplettes politisches System in sich zusammenbricht. Und ich hätte auch gern mal dieses Gefühl, auf Demonstrationen zu gehen, die zu so etwas führen."
Die Eltern von dir, Felix, und deinem Bruder Till, der ja auch bei euch in der Band ist, haben früher selbst mal in einer Avantgarde-Gruppe gespielt. Was sagen sie zu Kraftklub?
Felix: Wir führen jetzt keine Diskussionen über die Musik. Aber ich glaube, meine Eltern wären auch stolz auf mich gewesen, wenn ich Bäcker oder Bierbrauer geworden wäre und alle mein Bier gut fänden. Jetzt freuen sie sich halt, dass das mit Kraftklub so klappt. Dass wir von Musik leben können, ist schließlich echt abgefahren. Das muss man sich mal vorstellen!
Wie ist das denn zusammen mit dem Bruder in einer Band - knallt es da ab und an mal richtig?
Felix: (lacht) Nö. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen langweilig, aber wir sind, glaube ich, relativ harmonisch.
Ihr seid in dieser Hinsicht also eher Tokio Hotel als Oasis …
Felix: Jaaaa. Tokio Hotel? Ja! Oasis? Nein! Das hätte ich gern als Überschrift des Artikels. (Der Wunsch ist uns natürlich Befehl, Anm. d. Red.)
Tokio Hotel kommen bekanntlich aus Magdeburg ...
Felix: Ja, der Osten …
Richtig, die super Überleitung zum nächsten Etikett, das euch angeheftet wird. "Kraftklub kommen aus dem Osten" ist über euch überall in fett gedruckten Lettern zu lesen. Fast so, als würde es heißen, "Kraftklub kommen vom Mond" ...Felix: Ja, als ob wir die Puhdys wären. Das ist schon krass.
Ist euch diese starke Betonung eurer Herkunft also überhaupt recht?Felix: Ich kann verstehen, dass die Feuilletons das zum Anstoß für einen Diskurs nehmen, ob es diese Trennung Ost-West noch in den Köpfen gibt. Nach dem Motto: "Neues Selbstbewusstsein aus der Provinz." Noch dazu aus der sächsischen. Und dann auch noch dreißig Kilometer entfernt von der Zwickauer Terrorzelle. Aber wir wurden mal gefragt, ob wir uns als Ostdeutsche oder Sachsen sehen. Und ich muss sagen: Ich sehe mich nicht als Ostdeutschen.
Eure Lebenswirklichkeit unterscheidet sich doch vermutlich auch kaum von der vieler anderer in eurem Alter, die irgendwo im Westen wohnen …
Felix: Die Lebenswirklichkeit unterscheidet sich in der Hinsicht, dass wir halt in einer schrägen Stadt aufwachsen. Ich sehe mich als Chemnitzer. Diese Stadt hat uns sehr geprägt. Und sie ist eben zufällig in Ostdeutschland. Aber vielleicht hätte man in Kassel ähnliche Probleme, und wir würden dort über ähnliche Sachen schreiben.
Was ist so schräg an Chemnitz?
Felix: Es gibt eine interessante Statistik: Wenn der demografische Wandel so weitergeht, dann ist Chemnitz in 15 Jahren die älteste Stadt Europas. Um uns herum alte Menschen und Hools. (lacht) Das ist schon krass. Wenn man dort aufwächst, ist schon ganz früh Thema, dass man dort wegziehen muss. Ein bisschen so wie in Ghetto-Filmen aus den USA. Nach dem Motto: "Du musst hier raus, um es zu schaffen." Auf der anderen Seite gibt es aber einen extremen Lokalpatriotismus: dieses Gefühl, stolz auf die Stadt zu sein.
Klar, was du beschreibst, stiftet ja auch Identität …
Felix: Genau. Für Außenstehende ist das vielleicht ein bisschen albern, aber für uns ist es ein großer Teil der Identität, die uns mitgegeben wurde - von der Generation der Dagebliebenen, die nach der Wende nicht in den Westen gegangen ist und zu der unsere Eltern gehören. Wenn man dieses Paradox - einerseits stolz auf die Stadt zu sein, andererseits ganz früh zu wissen, dass man keine andere Alternative als wegzuziehen hat - versteht, dann versteht man auch unsere Musik besser. Das ist, weshalb wir uns auf der einen Seite immer so "Wir sind King"-mäßig auf die Brust hauen, aber unsere Musik auf der anderen Seite auch fast etwas Depressives, Melancholisches und Trauriges hat. Das schließt sich bei uns nicht aus. Und jeder Chemnitzer versteht das.
Ihr habt erklärt, dass ihr Politik aus euren Texten weitgehend heraushalten wollt. Wie schwer fällt das denn, wenn man aus der ehemaligen "Karl-Marx-Stadt" kommt?
Felix: Dass wir Chemnitz Karl-Marx-Stadt nennen, ist für uns echt nur ein Scherz. Das steht halt in unseren Ausweisen noch drin. Wir sind ja alle noch gerade so Vorwende-Kinder. Das hat wenig mit Politik zu tun. Nach einem Interview-Debakel haben wir uns stattdessen entschlossen, Politik auch aus Interviews rauszuhalten.
Okay, dann zum Schluss etwas ganz Unpolitisches. In eurem Song "Melancholie" heißt es: "Die besten Witze sind die, die keiner versteht". Könnt ihr euch auf einen Lieblingswitz einigen?
Steffen: Sagt eine 0 zur 8: Schöner Gürtel.
Felix: Nee, darauf können wir uns nicht einigen. Aber darauf: Was ist der Unterschied zwischen einem Dachs?
Keine Ahnung …
Felix: Das war der Witz.
Mit Felix Kummer und Steffen Israel sprach Volker Probst
Kraftklub befinden sich in den kommenden Monaten auf Tour: Mainz (13.03.2012), München (11.04.), Dresden (14.04.), Hamburg (17.04.), Frankfurt (18.04.), Karlsruhe (20.04.), Köln (23.04.), Dresden (04.05.), Berlin (05.05.)
Text von hier
Gruß
"gebongt" Icke