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Donnerstag, 23. Februar 2012

Forscher leben gefährlich oder "man muss einfach was aushalten können"

“Nur die kleinen Geheimnisse müssen beschützt werden.
Die großen werden von der Ungläubigkeit der Öffentlichkeit geheimgehalten.”
Marshall McCluhan

Aloha Freunde,

auf der Suche nach Informationen bin ich auf diesen Artikel aufmerksam geworden. Sauber, super, lesenswert! Kiekste hier;

In diesem Artikel möchte ich von einem berichten, dessen Schicksal mir nahe geht, aus vielleicht nachvollziehbaren Gründen. Es geht um einen, der Unfassbares geleistet hat, dessen viel zu kurzes, quälerisches Leben aber in Wahnsinn und Tod geendet hat. Und der Name des unglücklichen Protagonisten, James Webb, ist einer, der heute vergessen oder sowieso unbekannt ist, ungeachtet seiner überaus wichtigen Errungenschaften im Bereich der Erforschung und Einordnung der Phänomene und Geschichte des Okkultismus des 19. und 20. Jahrhunderts.

James Webb (1946 - 1980)
1946 in Edinburgh geboren, hatte Webb in Cambridge Geschichte studiert und begann bald nach seinem Abschluß mit dem Studium okkulter Texte. Sein Interesse hatte allerdings nichts mit esoterischem Wissensdurst oder der Suche nach Erleuchtung zu tun, Webb hatte es sich zum Ziel gesetzt, den (bis heute) grösstenteils ignorierten Einfluss des “Aberglaubens” auf die Kulturgeschichte der vergangenen zwei Jahrhunderte aufzuzeigen.

Webb offenbarte sich dabei als vollkommen Besessener, dessen Detailverliebtheit in zwei monumentalen Werken kulminierte, “Flight from Reason”, später unter dem Namen “The Occult Underground” veröffentlicht, und “The Occult Establishment”, eine gewaltige Geistesgeschichte “alternativer” Denker und einflussreicher Personen von Swedenborg und Mesmer über den Spiritismus, Geheimgesellschaften, Theosophie, Anthrosophie, Magie, Ariosophie, Freud, Jung, bis zu den berühmten Integrationsfiguren der 1960er-Jahre, Ken Kesey und Timothy Leary.
Die grosse intellektuelle Leistung des damals 25(!)-jährigen bestand aber nicht bloß in der peinlich genauen Auflistung, sondern in der Vernetzung und Einordnung aller Quellen und beschränkte sich dabei nicht auf die esoterische Subkultur, sondern zeigte deren unglaubliche Einflussnahme auf Politik, Kultur und Kunst. Man muß sich vergegenwärtigen, dass Webb dies lange vor dem Internet-Zeitalter vollbrachte: Ist es heutzutage ein Leichtes, mithilfe von Wikipedia und Google jedem Querverweis zu folgen und damit jeden früher kaum verfügbaren Quellentext aufzufinden, musste sich Webb in zahllosen Universitätsbibliotheken, Stiftungen und Privatsammlungen durch Tonnen verstaubter Bücher in verschiedensten Sprachen wühlen; dieser Verdienst ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, da man die exotischeren Texte von dubiosen Verfassern auch heute, trotz der angesprochenen Erleichterungen des Internet, kaum noch zu ermitteln vermag.

Typische Geisterfotos aus der Zeit des Spiritismus, Datierung unbekannt.
So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, bis heute kein einziges, nennenswertes Buch über die ebenso spannende wie absurde Bewegung des Spiritismus erschienen. Webbs Werke bleiben dazu, wie auch zu vielen anderen okkulten Strömungen und Moden, vermutlich für immer die einzige Referenz. Diese Bemühungen wurden leider damals wie heute fast vollkommen ignoriert; trotz seines prominenten Brieffreundes Colin Wilson und heutiger Bewunderer wie Nicholas Goodricke-Clarke haben sich seine Bücher weder zu Lebzeiten noch danach jemals gut verkauft.

Dies übte verständlicherweise enormen sozialen wie kreativen Druck auf den jungen Historiker aus, der sich gezwungen sah, einen verhassten Brotjob anzunehmen, da sich der Efolg nicht einstellen wollte. Dies mag einer der Gründe, aber bei weitem nicht der wichtigste für einen nahenden geistigen Zusammenbruch gewesen sein, der sich in seinen späteren Lebensjahren bedrohlich ankündigte. Webb hatte noch ein anderes Problem: Er, der in seinen Büchern immer mit der herablassenden Attitüde eines Wissenschaftlers und der eingebildeten Vorrangstellung eines Briten über die Objekte seiner Forschung geurteilt hatte (die Anfänge der Technik des Channelings im Spiritismus erklärte er zum Beispiel mit dem Wunsch sozial unterprivilegierter Schichten nach Beachtung), hatte, ohne es zu wollen, die Büchse der Pandora geöffnet.
Gegen Ende seines Lebens begannen ihn Visionen zu quälen, die er nicht mehr in Zaum halten konnte. Diese sich bald zu Wahnvorstellungen auswachsenden Offenbarungen begannen vermutlich (hier fehlt eine genaue Dokumentation) nach dem dritten und letzten von ihm verfassten Buch “The Harmonious Circle”, in dem sich Webb mit dem umstrittenen Weisheitslehrer Georges I. Gurdjieff und seinem prominenten Schüler P. D. Ouspensky auseinandergesetzt hatte.

Hätte beinahe seinen eigenen Tod überlebt: Gurdjieff am Totenbett, 1949
Die Tode von Gurdjieff und Ouspensky geben bis heute Anlass zu Spekulationen – als Gurdjieffs Körper obduziert wurde, befanden sich seine Organe in einem dermassen schlechten Zustand, dass er nach Meinung des untersuchenden Arztes bereits Jahre zuvor hätte versterben müssen; dieser bis heute seltsam erscheinende Mann hatte sich also vermutlich alleine mittels unglaublicher Willenskraft am Leben erhalten.

Besessener Gurdjieff-Schüler: P. D. Ouspensky, 1878 - 1947
Ouspenskys Tod erscheint noch befremdlicher: Der vom Phänomen der Zeit besessene Schriftsteller soll sich zeitgenössischen Berichten zufolge in bereits halbtotem Zustand an wichtige Schauplätze seines Lebens geschleppt haben, um sie sich für die nächste Reinkarnation einzuprägen. Ouspensky war nämlich der Auffassung, dass der Mensch in einer sogenannten zyklischen Zeit leben würde – er müsse ein und dasselbe Leben solange wieder von vorne durchmachen, bis er soviel Bewusstsein angesammelt hätte, dass er frei sein könnte vom Gefängnis der ewigen Wiederkehr.

Immer wieder von vorne: Andie McDowell und Bill Murray in "Und täglich grüsst das Murmeltier".
Das erscheint wie eine Art kosmischer “Murmeltiertag”, wie in dem entsprechenden Film mit Bill Murray, der ein und denselben Tag immer wieder von vorne erlebt. Ein überaus seltsames, schwer nachvollziehbares Konzept, welches in Webbs Psyche bizarrerweise auf fruchtbaren Boden fiel – der erfolglose Schriftsteller bekam Visionen, welche ihm die Richtigkeit von Ouspenskys Zwangsvorstellung bewiesen.
Wenn es bei den Visionen geblieben wäre, hätte man Webb vielleicht noch irgendwie helfen können, leider wuchsen sich diese Einbildungen rasend schnell zu einer lebensbedrohlichen Psychose aus. Man könnte spekulieren, dass Webb unter einer Art Initiationskrankheit litt, da er möglicherweise übersinnliche Talente zu entwickeln begann – ein Alptraum für einen, der über okkultistische Phänomene zwar berichtete, dies aber strikt nur aus seiner materialistischen Weltsicht heraus tun wollte.

Joyce Collin-Smith (1919 - 2011)
Nicht einmal Joyce Collin-Smith, Webbs mütterliche Freundin, konnte ihm helfen; dabei wäre gerade sie dazu fähig gewesen. Collin-Smith war in den 1960er-Jahren ein Zeit lang Chauffeurin von Maharishi Mahesh Yogi, noch bevor George Harrison den Guru zum Superstar machte, war Jüngerin des indonesischen Mystikers Pak Subuh und durch ihren Schwager, den Schriftsteller Rodney Collin, bestens mit den Werken Gurdjieffs und Ouspenskys vertraut (Collin, ein Student von Ouspenskys Lehre, der sich nach dem Tod des verehrten Meisters eine Woche in sein Zimmer einschloss, um mit dem Verstorbenen telepathisch zu kommunizieren, beging 1956 Selbstmord, in dem er in Peru von einem Turm sprang).

Ein weiteres Opfer der Ouspensky-Lehre? Rodney Collin (1909 - 1956)
Eine Zeit lang (auf Drängen seiner Frau hin) übte Webb einen Job bei einer Werbeagentur in Edinburgh aus, was sein Gefühl, als Schriftsteller und Wissenschaftler versagt zu haben, nur noch erhöhte. Das Allerschlimmste aber war, dass ihn seine brilliante Fähigkeit zur Recherche zunehmend in Stich liess. So war er auf die Spur einer uralten, esoterischen Bewegung in Schottland gekommen, war allerdings nicht mehr fähig, “das Muster zu erkennen”, wie er in einem seiner verzweifelten Briefe an Joyce Collin-Smith schrieb.

"Dark Night of the Soul", Gemälde von Ann Whitfield
In den letzten Tagen seines Lebens war Webb dem Wahnsinn komplett anheimgefallen. Seine entsetzten Eltern berichteten Collin-Smith später, dass er vor dem Kamin im Wohnzimmer herumgekrochen sei und immer wieder von vorne das “Vater Unser” gebetet habe; einmal lief er in hysterischem Ausnahmezustand in die Nacht hinaus, watete durch einen Fluss und schlug bei der Kathedrale von Dunblane stundenlang an das Eingangstor.

Dunblane Cathedral, Schottland.
Am 8. Mai 1980 hielt sich James Webb eine Schrotflinte an den Kopf und drückte ab; er war 34 Jahre alt. Ein paar Tage zuvor hatte er den Auftrag erhalten, eine Biographie über Rudolf Steiner zu verfassen, diese Aufgabe übernahm dann Colin Wilson. Welche großartigen Bücher Webb noch geschrieben hätte, wenn er seine Visionen überwunden oder integriert hätte, wird wohl ein lebenslanger Quell der Spekulation für seine spärliche Schar von Bewunderern bleiben; so aber gilt er mit seinen wenigen, äusserst brillanten Werken zumindest als ein wahrlich Frühvollendeter.
***
Quellen:
The Damned: the strange death of James Webb”, Gary Lachmann, Fortean Times, 2001
An Appreciation of James Webb”, Joyce Collin-Smith, The Astrological Journal, 1980
Okkulte Subkulturen als Gegenstand kulturwissenschaftlicher Forschung: James Webb (1946 – 1980)”, Marco Frenschkowski, marixverlag, 2009
***
So wie die meisten Protagonisten in Webbs Büchern, kommt auch er in den Weiten des Internet so gut wie gar nicht mehr vor, abgesehen von einem dürren Wikipedia-Eintrag und dem oben angeführten Artikel in der Fortean Times. Auch seine Bücher sind kaum mehr erhältlich, mit Ausnahme der vom marixverlag herausgegebenen, vorzüglich übersetzten deutschen Ausgaben seiner beiden Hauptwerke zum Okkultismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese beiden Bücher sollten eigentlich in der Bibliothek von jedem stehen, der sich ernsthaft mit dem Thema Esoterik auseinandersetzt.
Am besten gleich bestellen:
Die Flucht vor der Vernunft: Politik, Kultur und Okkultismus im 19. Jahrhundert, marixverlag, 2009.
Das Zeitalter des Irrationalen: Politik, Kultur und Okkultismus im 20. Jahrhundert, marixverlag, 2008.

Artikel und Bilder sind von hier

Gruß
"Das Leben ist kein Ponyhof" Icke

Tipp für heute: Sich mit den stimmigen Dingen beschäftigen und alles andere einfach über den Haufen werfen!

Merke: Auf diesem Planeten herrschen merkwürdige Gesetzesmässigkeiten, wenn man den Erdlingen "Zucker in den Allerwertesten bläst", fressen sie Dir aus der Hand. Wenn Du ihnen ihre Illusionen wegnimmst, damit sie sich entfalten können, dann "fressen" sie Dich....

Komisches Ding, was die hier so machen. *grübel*

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Paggy,sehr interessant!
    Und zum Schluss ist "Brot und Spiele" warscheinlich gemeint...

    Ich,habe noch einen Reim:

    In dem Himmlischen Raum
    Unterm ewigen ...Oumm....
    Sterne hueten Dein(mein) Traum:-)
    lg
    Galina.

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  2. Liebe Lina,

    dieser Reim von Dir gefällt mir auch ausserordentlich hyperfetziggut:

    Reim-Einfall für große und kleine Kinder;

    Fernseher aus!Fernsehr aus!(Wie beim Gospel klatschen)
    Sonst fallen mir(uns)die Augen raus
    Ich will ja selber denken(wir wollen selber denken)
    Drum lass ich mich nicht lenken(und lassen uns nicht lenken)

    Bin kein Bioroboter
    Tralalalalala…:-):-):-)

    hahaha, its Reim-Time :o)

    Tipp für heute:
    Reimen und singen macht einfach gute Laune!!!

    Grüßikowski
    Icke

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